Weil jede Theorie Praxis braucht

praktische Erfahrung contra theoretische Überlegung

Praktische Erfahrung contra theoretische Überlegung

Als eine Art Einschub zu den Überlegungen der vorigen Beiträge (es gibt keine zwei Gleichen im Universum und Mathematik funtkioniert nicht an den Rändern) möchte ich mich hier kurz noch einmal mit der Aufwertung der praktischen Erfahrungen beschäftigen, weil unsere sogenannte moderne Gesellschaft immer mehr dazu übergeht, die praktische Erfahrung kleinzureden und alle Schüler und Auszubildenden an die Hochschulen zu holen. Jedes Kind muss Abitur machen. Viele praktische Berufe werden nun mit Bachelor- und Masterabschlüssen angeboten, bei denen die theoretische Ausbildung überwiegt. Dabei basieren nahezu alle handwerklichen Berufe sowie viele gesundheitliche, wie bei Physiotherapeuten, Hebammen und Heil-Praktikern, mindestens zu einem ebenso großen, wenn nicht viel größeren Teil auf praktischen Erfahrungen. Die Begründung finden wir in den vorherigen Beiträgen. Sie lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Letztlich benötigen sowohl praktische wie theoretische Erfahrungsprozesse der Überprüfung auf Richtigkeit. Zumeist ist der Aufwand für die Prüfung theoretischer Denkprozesse jedoch ungleich höher, als jener für praktische Erfahrungen. Die praktische Erfahrung hingegen lehrt den Umgang mit den Dingen und weist den Weg sowohl für das Denken wie für das Handeln. Insofern ist die praktische Erfahrung sogar vorrangig. Die theoretische Überlegung basiert, wie wir gesehen haben, auf abstrakten Überlegungen oder Berechnungen, deren verbindlicher Bezug zur Realität, zur umgebenden Welt, nicht zwingend ist. Vielmehr sind offenbar durch das Konstrukt der Gleichheit, die ausschließlich im Geist existiert, Operationen möglich, deren Verknüpfung ebenfalls abstrakt ist. Dies wirft das Problem auf, dass das Ergebnis solcher abstrakter Operationen möglicherweise gar keinen Bezug zur Realität aufweist, sondern nur einen geistigen Wert oder einen künstlerischen hat. Es gibt geradezu bewundernswerte Schäpfungen des reinen Geistes und Künstler der Mathematik, der Logik, der Musik, der bildenden Kunst, der Literatur usw. sind höchst angesehen. Doch jede abstrakte Operation hat, will sie denn in eine praktische Verwendbarkeit überführt werden, den Makel des fehlenden Realitätsbezugs. Sie muss wohl oder übel an der Realität überprüft werden. Dies fällt regelmäßig bei wissenschaftlichen Untersuchungen, die das Ziel der praktischen Verwendbarkeit haben, sehr umfangreich aus, um den echten Realitätsbezug, die echte Wirkung, zu testen.

Doch uns allen eröffnet sich immer auch der Weg der praktischen Erfahrung, der gar nicht den Umweg der theoretischen Erarbeitung oder Erkenntnis machen muss, sondern darauf basiert, Wissen um ein Ding oder einen Vorgang bereits so oft gemacht zu haben, dass eine ebenso sichere Einschätzung eines Fortgangs der Dinge möglich ist. Ein eindrucksvolles Beispiel dieser praktischen Erfahrung, die noch dazu mit der theoretischen um die Deutungshoheit ringt, ist der Film von Clint Eastwood, Sully, der die Notfall-Handhabung eines Flugzeugs über dem Hudson River des Piloten Chesley Sullenberger beschreibt. Dieser setzt mehr auf die eigene, jahrzehntelange Erfahrung als Pilot, denn auf die Vorausberechnung von Computern. 

Vermutlich gibt es viele Beispiele dieser Art, die die Physik, die Bauphysik und Statik, das Fliegen (von Hummeln), Musizieren, Hören, Riechen von Hunden und vieles mehr betrifft. Viel Spaß beim Suchen 😉